Soziale Konstruktionen in Schule und Unterricht
3. April 2017
Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität, Behinderung und soziale Herkunft wirken in die pädagogische Arbeit der Schule hinein. Die sozialkonstruktivistische Schul- und Unterrichtsforschung untersucht Differenzen und Ungleichheiten, die aus der Interaktion in diesem sozialen Feld resultieren. Zentral für das "Doing School" zur Hervorbringung schulischer Ordnung ist dabei die soziale Konstruktion von "Leistungsstärke" und "Leistungsschwäche". Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle des "Doing Gender" im Unterricht als Zuschreibung von Leistungsdifferenzen zwischen Jungen und Mädchen zu sehen.
Leistungsunterschiede werden durch implizite Erwartungshaltungen von Lehrkräften und entsprechende Reaktionen der Schülerinnen und Schüler konstruiert. Je nach Kompetenz und Reflexionsbereitschaft der Lehrkräfte kann sich dies als Begrenzung oder Erweiterung von Entwicklungschancen und Berufsoptionen junger Frauen und Männer auswirken. Die Beiträge des Sammelbandes geben einen Überblick über die wissenschaftliche Forschung und greifen verschiedene Beispiele für das "(Un)Doing Gender" in Schule und Unterricht auf.
Jürgen Budde beschreibt, wie passförmige Männlichkeit in der Schule über die Vorstellung vom "idealen Schüler" zwischen Ritter, Pflichterfüller und kreativer Persönlichkeit hergestellt wird. Andrea Menze Sonneck zeigt, dass Videoanalyse und Beobachtungsprotokolle geeignete Mittel sind, um die Reflexion des koedukativen Sportunterrichts zu ermöglichen. Alexander Krätzig und Markus Prechtl beschreiben in ihrem Beitrag, wie die wechselnde Vergabe von Verantwortlichkeiten im Chemieunterricht (z.B. als Sicherheitsbeauftragte, Protokollant oder Material-Chefin) einer unausgewogenen Arbeitsteilung vorbeugen kann. Eine gendersensible Feedback-Kultur und die regelmäßige Überprüfung der eigenen Erwartungshaltung durch die Lehrkräfte trägt ebenso zum "Undoing Gender" im Unterricht bei.
Weitere Beiträge des Sammelbandes zeigen, dass die sensible und reflektierte Auseinandersetzung mit der sozialen Konstruktion von Differenzen auch unter dem Aspekt des "Doing Ethnicity", im inklusiven Unterricht und mit Blick auf soziale Herkunft und Intersektionalität Konsequenzen für die professionelle Arbeit in der Schule hat.
Das Buch wendet sich mit seinen aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen sowohl an Studierende und angehende Lehrkräfte als auch an erfahrene Lehrkräfte oder Schulleitungen, die konzeptionell an der Unterrichtsgestaltung arbeiten wollen.
Karin Bräu/ Christine Schlickum (Hrsg.): Soziale Konstruktionen in Schule und Unterricht, Verlag Barbara Budrich, Opladen 2015