Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming ist ein neuer Organisationsansatz zur Entwicklung von Geschlechtergerechtigkeit. Definiert wird er als (Re)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen (Expertinnenrat des Europarates). Gender Mainstreaming wurde erstmals auf der Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985 diskutiert. 1995 wurde Gender Mainstreaming bei der Weltfrauenkonferenz in Peking in die Aktionsplattform aufgenommen, die von 189 Staaten unterschrieben wurde. Bei ihren Bemühungen um die Gewährleistung der Menschenrechte sollten Regierungen eine sichtbare Politik des Einbeziehens einer geschlechtsbezogenen Perspektive in alle Politiken und Programme fördern, damit die Auswirkungen auf Frauen bzw. Männer analysiert werden bevor Entscheidungen getroffen werden.
Das Prinzip des Gender Mainstreaming ist bereits 1996 in einer Mitteilung der EU-Kommission mit dem Titel "Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft" als innovative Handlungsmaxime für alle Gemeinschaftsbehörden, aber auch als eine die nationalstaatlichen Akteurinnen verpflichtende Verhaltensregel, vorgeschlagen worden. Im Amsterdamer Vertrag 1999 fand sie in Artikel zwei und drei ihren Niederschlag, womit der Gedanke der Chancengleichheit aufgewertet und an exponierter Stelle des neuen Vertrages festgeschrieben wurde. Bei allen in diesen Artikeln genannten Maßnahmen wirkt die Gemeinschaft darauf ein, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.
Der Begriff Gender (in Abgrenzung und Relation zu Sex - biologisches Geschlecht) als soziales und kulturelles Geschlecht ist außerhalb der Forschung seit der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 geläufig und bezieht sich auf die Art der wechselseitig voneinander abhängigen Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft. Geschlechterverhältnisse beinhalten Macht- und Herrschaftsbeziehungen, die die Lebenschancen von Frauen und Männern strukturieren. Gender wird durch kulturelle, religiöse, ideologische Normen bestimmt, ist also nicht angeboren, sondern durch die jeweilige Gesellschaft definiert und somit auch durch diese Gesellschaft veränderbar. Die Gender-Perspektive besagt, dass Frauen und Männer in der Gesellschaft unterschiedliche Lebensbedingungen und Chancen vorfinden, aufgrund geschlechtsspezifischer Sozialisation unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse entwickeln und von gesellschaftlichen Prozessen und deren Auswirkungen unterschiedlich betroffen sind.
Gender Mainstreaming braucht genaue Kenntnisse über Gender, was mit so genannten Gender Trainings erreicht werden soll. Um die Gender-Perspektive anwenden zu können bedarf es eines breiten Fachwissens, Kennens von Organisationsstrukturen und Gender-Kompetenz als Fähigkeit im Umgang mit den vielfältigen Erkenntnissen aus der Frauen- und Geschlechterforschung und mit den Erfahrungen von Frauen. Gender Mainstreaming ist ein "Top-Down-Prozess", d.h. er geht von der Hausspitze aus und setzt sich fort über "middle-out" bis zu "bottom-up" (vom Mittelbau zum Unterbau). Das bedeutet, dass umfangreiche Schulungen zum Beispiel für alle Verwaltungsbediensteten stattfinden müssen, um Gender-Kompetenz zu erwerben.
Diese Sichtweise soll in den politischen Mainstream, in alle gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse aufgenommen werden. Mainstreaming steht für ein Konzept, die Gleichstellung der Geschlechter und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven von Frauen und Männern zu einer Hauptströmung und einem wesentlichen Planungsaspekt von Organisationen zu machen und damit den "Malestream" (Barbarindem es die männerzentrierte Sichtweise von Institutionen, Kulturen und Organisationen verändert. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Systeme und Strukturen, in denen Frauen und Männer ihren Platz finden und ihr gesamtes Potential an Fähigkeiten entfalten können. Dieses Konzept erkennt die Unterschiede zwischen Frauen und Männern an, ohne dabei Männer oder Frauen jeweils als eine einheitliche Gruppe zu sehen, sondern berücksichtigt sie in ihrer Vielfalt. Es ist ein Prinzip, das als systematische Integration von Chancengleichheit gesehen werden kann.
Ute von Wrangell: "Gender Mainstreaming" in: Das Weiberlexikon, Florene Hervé und Renate Wurms (Hg.), PapyRossa Verlag, Köln 2006, S. 179-182