Die sozialistische und die bürgerliche Frauenbewegung
Die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen einigte die Frauen, allerdings kämpften Clara Zetkin und ihre radikaleren sozialistischen Mitstreiterinnen für das allgemeine Wahlrecht, die bürgerliche Frauenbewegung strebte ein eingeschränktes Wahlrecht an.
Die Lebenssituation der Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts war keinesfalls einheitlich. Daher entwickelten sich unterschiedliche Auffassungen über Weg und Ziel der Emanzipation der Frauen. Während die bürgerlichen Frauen neben der Forderung nach Bildung für Mädchen und Frauen auch für das Recht auf Erwerbstätigkeit eintraten, war Arbeit - in der Regel Industriearbeit - eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Arbeiterinnen. Frauen waren billigere Arbeitskräfte als Männer, und so stieg die Zahl der Arbeiterinnen, die die Existenz ihrer Familie sichern mussten, an. Allerdings war die Veränderung der sozialen Lage der Arbeiterinnen auch bei Vertreterinnen der "bürgerlichen Frauenbewegung" wie Louise Otto-Peters eine wichtige Forderung.
Die Arbeiterinnenvereine, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, stellten die Herrschaftsverhältnisse der damaligen Zeit grundsätzlich in Frage. Die proletarische oder sozialistische Frauenbewegung war Teil der Arbeiterbewegung. Für August Bebel fiel die Lösung der "Frauenfrage" mit der Beseitigung der wirtschaftlichen Unterdrückung der Arbeiterschaft, mit der "Klassenfrage" zusammen. Auch Clara Zetkin, die bedeutendste Vertreterin der sozialistischen Arbeiterbewegung, ordnete die Emanzipation als "Nebenwiderspruch" dem "Hauptwiderspruch" zwischen Kapital und Arbeit unter. Sie beförderte die Trennung zwischen bürgerlicher und sozialistischer Frauenbewegung.