"Wenn die Polizei eine Frau vor häuslicher Gewalt nicht schützt, kann sie vom Staat Schmerzensgeld fordern." Über ein aktuelles Urteil aus Österreich berichtet das Frauenmagazin FrauenSicht. Der Oberste Gerichtshof hatte folgendes Urteil gesprochen:
Österreich: Zur Haftung des Bundes für die Unterlassung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
Betretungs- und Annäherungsverbote nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz dienen dem Schutz des Gefährdeten. Das schuldhafte Unterlassen solcher Anordnungen kann daher Amtshaftungsansprüche begründen.
Wird ein Betretungs- oder Annäherungsverbot nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz erlassen, spricht der erste Anschein dafür, dass sich der Gefährder an diese Anordnung hält.
Die Klägerin wurde – nach einer von Eifersucht, Kontrollwahn, Drohungen und körperlicher Gewalt ihr gegenüber geprägten Beziehung zum späteren Täter – in ihrer Wohnung Opfer eines Mordversuchs durch ihren ehemaligen Freund (Täter). Bereits rund zwei Wochen vor der Tat hatte es nach einem wiederholten gewaltsamen Übergriff durch den Täter einen Polizeieinsatz gegeben, im Zuge dessen die Polizeibeamten eine Anzeige wegen fortgesetzter Gewaltausübung und Körperverletzung gegen den Täter aufgenommen, aber weder ein Betretungs- und Annäherungsverbot erlassen noch Kontakt mit der (Journal-)Staatsanwaltschaft aufgenommen hatten.
Die Klägerin begehrt vom Bund aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz, insbesondere Schmerzengeld, weil die Polizeibeamten gebotene Maßnahmen unterlassen hätten, durch die der Mordversuch an ihr verhindert worden wäre, insbesondere die Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots gegenüber dem Täter und die Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft, um ihr die Anordnung der Festnahme des Täters zu ermöglichen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Klägerin sei der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Unterlassung der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots und der Tat nicht gelungen, weil das Erstgericht nicht feststellen konnte, dass der Täter die Tat nicht begangen hätte, hätten die Polizeibeamten diese Maßnahme ergriffen. Der Anscheinsbeweis komme der Klägerin hierfür nicht zugute. Die Berichtspflichten nach § 100 Strafprozessordnung (StPO) würden den Schutz von Opfern allfälliger künftiger Straftaten des Beschuldigten nicht einmal mitbezwecken.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge.
Die komplette Urteilsbegründung finden Sie auf der Website des OHG Österreich. www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/zur-haftung-des-bundes-fuer-die-unterlassung-von-massnahmen-zur-gefahrenabwehr/