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Kalender 2022 'Kunst und Kultur'

Frauen in Kunst und Kultur haben wir im Kalender 2022 zum Thema gemacht. Ein weiblicher Bereich? Mitnichten. Wer verdient hier das große Geld? Wer entscheidet? Kunst und Kultur wirken auf Rollenbilder; durch die Inhalte und durch die Darstellung, aber auch durch ProtagonistInnen: Wer steht hinter der Kamera, vor dem Orchester? Aber die gute Nachricht ist: Frauen holen auf! Gaming, Streetart, Theater, auch die Bedeutung von Kunst und Kultur als Beitrag kommunaler Identität sind Monatsthemen des Kalenders, den wir für die Gleichstellungsbeauftragten erstellt haben.

Mit Kunst Geld verdienen

Der Frauenanteil bei Kunststudiengängen und Ausbildungen mit dem Schwerpunkt Kunst beträgt heute 70 %. Im Berufsleben sind Künstlerinnen aber benachteiligt. Der Gender Pay Gap beträgt 28 %, also mehr als in anderen Sparten. Dies gilt ebenso für den Gender Show Gap. Künstlerinnen werden schlechter bezahlt als die männlichen Kollegen. Ihre Werke werden seltener ausgestellt oder verkauft. Die materielle Situation weiblicher Kunstschaffender ist schwieriger als die von Künstlern. Prekäre wirtschaftliche Verhältnisse gehören zu ihrem Alltag. Nur eine Spitzengruppe erzielt gute Einkommen. Viele Kunstschaffende besitzen weder Rücklagen noch eine Altersversorgung. Geschätzt können ca. 8 % dieser Künstlerinnen von den Einnahmen ihrer Arbeit leben.
Genau lässt sich die Zahl aber nicht ermitteln. Es wurden Selbstauskünfte und Angaben der ca. 200.000 Versicherten in der Künstlersozialkasse ausgewertet. Grundsätzlich kämpfen Kunstschaffende um existenzsichernde Einnahmen. Frauen sind wegen ihrer geschlechtsspezifischen Benachteiligung aber stärker betroffen. Die dritte Studie zu "Frauen in Kultur und Medien" des Kulturrates legte hierfür erneut zahlreiche Belege vor. Das 2017 eingerichtete Projektbüro für Geschlechtergerechtigkeit veröffentlichte 2020 einen umfangreichen Forderungskatalog wirksamer Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit im gesamten Kunstsektor. Auch ein Mentoring-Programm in Kultureinrichtungen soll für mehr Beteiligung im Kunstbetrieb sorgen.

Quellen:

  • Abschlussbericht Enquete Kommission Kultur in Deutschland, 2007; Deutscher Bundestag, Drucksache 16/7000 6
  • Gabriele Schulz, Olaf Zimmermann, Rainer Hufnagel: Studie Arbeitsmarkt Kultur: Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Kulturberufen von 2013
  • Gabriele Schulz, Carolin Ries, Olaf Zimmermann: Frauen in Kultur und Medien, Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge, 2016; Studie Deutscher Kulturrat, www.kulturrat.de
  • Gabriele Schulz, Olaf Zimmermann: Frauen und Männer im Kulturmarkt, 2020; Studie Deutscher Kulturrat, www.kulturrat.de
  • Forderungskatalog zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien, 2020; Stellungnahme des Deutschen Kulturrates, www.kulturrat.de

Macht - In der Kunst entscheiden

Es gibt 7.000 haupt- oder ehrenamtlich geführte Museen in Deutschland - darunter sechs Frauenmuseen. Reine Kunstmuseen sind davon 10,7 %. Vornehmlich haben Museen öffentliche Träger und sind so der Gleichstellung verpflichtet. Trotzdem verändert sich die Szene nur langsam. Denn die meisten Häuser entstanden in den 1960er-Jahren und spiegeln die damaligen traditionellen Rollenbilder und Darstellungen von Frauen wider. Dies gilt auch für ausgestellte Werke. Sie stammen mehrheitlich von Künstlern und prägen viele Kunstsammlungen bis heute. Aber das Interesse von Studentinnen an den Kunst- und Kulturstudiengängen ist groß. Viele Frauen erlangen den Doktorgrad. Dadurch steigt die Zahl der Interessentinnen an Leitungspositionen ebenso wie es mehr Museumspädagoginnen, Kuratorinnen und auch Kulturdezernentinnen in den Verwaltungen gibt. Sie alle entscheiden über inhaltliche Schwerpunktsetzung, Sonderausstellungen und die Mittelverteilung. Aktuell werden mehr als 30 % der Museen von Direktorinnen geführt - mit steigender Tendenz. Die Archäologin Prof. Dr. Katja Lembke ist bereits eine erfolgreiche Museumsdirektorin. Seit 2011 leitet sie als erste Frau das 1890 gegründete Niedersächsische Landesmuseum. Sie gab den Themenwelten des Museums ein neues Gesicht und setzte mit Kunstausstellungen wie "Madonna - Frau, Mutter, Kultfigur" oder "Schatzhüterin. 200 Jahre Klosterkammer Hannover" u.a. dem Frauenkloster ein Denkmal.

Quellen:

Kunst und Kultur prägen Rollenbilder

Frauen haben heute Zugang zu allen Ausbildungen und Studiengängen, die eine berufliche Existenz in Kultur und Medien ermöglichen. Dazu gehören "typisch" männliche Berufe wie Toningenieur, Lichttechniker oder Bühnenbildner. Der Weg in den Journalismus ist bei jungen Frauen sehr beliebt. Doch wo finden sich die gut bezahlten Jobs? Ein wichtiger Arbeitgeber sind die öffentlich-rechtlichen Sender. Beim NDR kontrolliert ein hälftig mit Frauen besetzter Rundfunkrat, dass Gleichstellung aktiv gefördert wird und immer mehr Frauen in leitenden Positionen tätig sind. Die Sichtbarkeit von Frauen als Expertinnen in Nachrichtensendungen ist erheblich gestiegen - ein großer Schritt für die Bildung von modernen Rollenbildern. Der Gebrauch von gendergerechter Sprache erhält gesellschaftliche Aufmerksamkeit - Widerspruch und Zuspruch. Hörfunk und Fernsehen produzieren eine Vielzahl von Kulturveranstaltungen. Dass auch in den großen philharmonischen Orchestern mehr Frauen als Männer fest angestellt sind, ist ein großer Wandel. Daneben arbeiten jedoch viele Kultur- und Medienschaffende als sogenannte "Freie". Sie arbeiten Produktionen nach Auftragslage zu und erhalten Honorar. Das ist auch für viele Frauen attraktiv, da sich so Familien- und Berufsaufgaben eher vereinbaren lassen und mehr Selbstbestimmung möglich wird. Untersuchungen zeigen allerdings, dass das Einkommen freischaffender Künstlerinnen einen sehr hohen Gender Pay Gap aufweist. Deshalb fordern neue Frauennetzwerke in Kultur und Medien, die Geschlechterperspektive bei der Vergabe von Aufträgen, von Stipendien und Fördermitteln zu beachten.

Kunst als unverzichtbarer Bestandteil kommunaler Identität

Regional bedeutende Kulturschaffende sind oft Identifikationsfiguren für Bürgerinnen und Bürger. Sie bereichern die lokale Kunstszene und genießen eine herausragende Stellung im gesellschaftlichen Leben ihrer Kommune. Die lokale Presse porträtiert sie. Werke dieser Persönlichkeiten werden ausgestellt. Oft geben Kulturschaffende Kunstkurse in der Erwachsenenbildung. Verstorbenen Künstlern widmet man Gedenkstätten. Ebenso präsentieren Stadt- oder Heimatmuseen Besonderheiten regionaler Geschichte. Allerdings ist auch die lokale Kunstszene gewöhnlich männlich dominiert. Abgesehen von Ausnahmepersönlichkeiten werden Künstlerinnen selten wahrgenommen. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte machen sich um die lokale Kunstszene verdient, indem sie z.B. Gegenwartskünstlerinnen aus der Region für Veranstaltungen engagieren, Lesungen mit Schriftstellerinnen organisieren oder lokale Frauengeschichte in Ausstellungen sichtbar machen. Besonders erfolgreich ist die Initiative frauenOrte des Landesfrauenrates Niedersachsen (LFRN). Auf Vorschlag kommunaler Fraueninitiativen wählt ein Fachbeirat regional bedeutende Frauenpersönlichkeiten aus. Darunter sind viele Kulturschaffende. Sie werden näher vorgestellt und mit Ausstellungen und Veranstaltungen geehrt. Der LFRN nimmt die Künstlerinnen abschließend in seinen Katalog niedersächsischer herausragender Frauenpersönlichkeiten auf. So wird regional Kunst von Frauen sichtbar und trägt zu kommunalen Identifikationsprozessen bei.

Quelle: www.frauenorte-niedersachsen.de

Rock, Hip-Hop und Techno: Modernes Musikbusiness

Frauen sind im modernen Musikbusiness unterrepräsentiert. Dabei ist es egal, ob sie als Musikerinnen auftreten, in Frauenbands aktiv sind, Songs schreiben oder als Organisatorinnen arbeiten. Der Musikmarkt befindet sich fast vollständig in Männerhand. In den Vorstandsetagen der wichtigen Labels agieren ausschließlich Männer. Große deutsche Events wie das Hurricane Festival oder Rock am Ring präsentieren maximal 3 % Frauenbands. Auch Radiosender spielen weniger Musik von und mit Frauen. Dadurch erhalten Musikerinnen erheblich weniger Tantiemen als männliche Kollegen. Bekanntheit in der Musikszene lebt von Liveauftritten. Frauenbands werden seltener gebucht, haben dadurch weniger Bühnenpräsenz und erzielen deutlich geringere Einkommen. Frauenfeindlichkeit drückt sich in der Geringschätzung etwa von Rockmusikerinnen aus. Sie zeigt sich auch in herabwürdigenden Texten von Rappern. Terre des Femmes prangerte das an. Gegen Diskriminierungen schließen sich Frauen in Netzwerken zusammen. Andrea Rothaug vom Verein Rockcity Hamburg gründete z.B. "Music Women Germany". Gemeinsam mit neun anderen Frauen erstellte sie eine bundesweite Datenbank für Frauen aus der Musikbranche. Sie vermittelt Frauen für alle Sparten des Musikgeschäfts. Vanessa Cutraro ist eine gutverdienende Bookerin in der Branche. Sie bedauert, dass die meisten Frauen eher als Assistentinnen tätig sind als als Selbstständige. Dann könnten sie das Musikgeschäft stärker zu Gunsten von Frauen beeinflussen.

Quellen:

Digitale Medien: Computerspiele

Nicht nur Männer interessieren sich für Computerspiele. Der Anteil von Spielerinnen in der Gamesszene beträgt ca. 40 % – mit zunehmender Tendenz. Dagegen sind Frauen nur zu ca. 20 % als Entwicklerinnen tätig. Am Anfang der rasanten Entwicklung digitaler Medien Ende der 1980er- Jahre waren in der Branche überwiegend Informatikerinnen tätig. Erst langsam übernahmen männliche Nerds mehrheitlich den Computer- und Spielemarkt. Das Image einer sexistischen und gewaltverherrlichenden Ausrichtung von Computerspielen schreckte viele Nutzerinnen ab. Inzwischen nimmt die Zahl von Entwicklerinnen im Gamessektor stetig zu. Dies liegt u.a. an den für Frauen attraktiven kreativen Studiengängen wie Gamedesign, Programmierung oder Grafik Design, die in der Entwicklung von Computerspielen Anwendung finden. Führende Unternehmen der Branche bemühen sich gezielt um das Interesse weiblicher Arbeitskräfte. Sie fördern intensiv Karrieren ihrer weiblichen Belegschaft. Sicher spielt dabei der Fachkräftemangel auf dem deutschen Technikmarkt eine große Rolle. Die Programmiererin Glenna Buford ist eine von den jungen Frauen, die auf diesem Markt Karriere machen. Sie studierte Mathematik und Informatik. Heute arbeitet Glenna Buford als leitende Programmiererin für Computerspiele bei der Berliner Firma Wooga. Daneben unterstützt sie Frauen in ihrem beruflichen Fortkommen und organisiert regelmäßig berufsorientierende Workshops für Mädchen, um sie für die Branche zu interessieren.

Quellen:

Streetart

Der traditionelle Kunstmarkt öffnet sich für Frauen. Andere Genres wie die Streetart-Szene bleiben aber sehr männerdominiert. Frauen werden häufig nicht ernst genommen. Sexismus und auch gewalttätige Übergriffe sind nicht selten. Die junge Kunstszene arbeitet nicht nur mit neuen Materialien wie Spraydosen und dem öffentlichen Raum als Präsentationsfläche. Sie nutzt für die Verbreitung ihrer Kunst moderne Wege. Plattformen bieten die sozialen Netzwerke. Ausstellungen und Vorträge werden digital präsentiert. Inzwischen hat sich die öffentliche Haltung gegenüber Graffiti verändert. Gesprayte Kunstwerke verschönern mit ihren kräftigen Farben urbane Räume. Illegale Aktionen nehmen ab. Flächen, sogenannte "Murals", werden Street Art Künstlern oft gezielt zur Gestaltung überlassen. Auch Künstlerinnen finden ihren Weg in die Szene. Einige Frauen haben sich Anerkennung und einen festen Platz erkämpft. Sie produzieren unter fantasievollen Namen ihren eigenen feministischen Stil. Frauen setzen sich kraftvoll ins Bild, präsentieren ihre Träume oder stellen sozialkritische Fragen. Bona Berlin etwa ist eine international bekannte Street Art Künstlerin. In ihrer Geburtsstadt Hamburg kuratierte sie zum Internationalen Frauentag 2020 die Gruppenausstellung "Femmes Vandales" in der Urbanshit Gallery. Über 30 internationale Street Art Künstlerinnen zeigten dort ihre farbenfrohen und fantasievollen Graffitis als Ausdruck einer feministischen Popkultur.

Quellen:

Beruf: Kamerafrau

Kamerafrauen in Deutschland steht nach dem Studium ein harter Weg bevor. In den meisten kreativen Schlüsselpositionen der Filmbranche arbeiten deutlich mehr Männer als Frauen. So auch im Bereich Kamera: Nach Ergebnissen der FFA-Studie "Gender und Film" aus dem Jahr 2017 wurden in 85 % der untersuchten Filmproduktionen ausschließlich Männer als Kameraleute eingesetzt, und nur in 10 % ausschließlich Frauen. Gemischtgeschlechtliche Teams waren in nur 5 % der Fälle im Einsatz. Längst nicht alle Kamerafrauen, die an Filmhochschulen ausgebildet wurden, arbeiten – anders als Männer – später auch in ihrem Beruf. Fehlende Netzwerke, Vorurteile in Teams und Familiengründung als Karriere-Aus tragen dazu bei. Der Einfluss von Frauen auf Produktion und Finanzierung von Filmen ist noch zu gering, um eine Änderung zu bewirken. Doch Filmschaffende positionieren sich: Die Initiative Pro Quote Film fordert unter anderem, dass öffentlich-rechtliche Sender die Produktionsfirmen verpflichten sollen, mehr Kamerafrauen vorzuschlagen und auf ausgeglichene Teamkonstellationen zu achten. Und es braucht noch mehr Veränderung: 2016 wurde die paritätische Besetzung von Gremien in das Filmförderungsgesetz aufgenommen. Pro Quote Film setzt sich auch für die Einführung einer Quote bei der Vergabe von Fördergeldern und Aufträgen durch die Sender an Frauen in kreativen Führungspositionen ein. Dazu Familienfreundlichkeit am Set, Lohnlücken schließen, soziale Standards einhalten und ein dauerhaftes Gendermonitoring – nur so können Frauen tatsächlich Anteil haben an der Macht der (Film-)Bilder, die unsere Gesellschaft mitprägen und Vielfalt ermöglichen, statt Stereotypen zu reproduzieren.

Quellen:

  • FFA Filmförderungsanstalt (Hrsg): Gender und Film: Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland , Berlin 2017, www.ffa.de
  • Verein ProQuote Film, proquote-film.de
  • Website der Zeitschrift Film & TV Kamera, Interview vom 8. März 2019 (letzter Zugriff: 12.07.2021): Frauen in technischen Filmberufen: "Keine faire Verteilung", www.filmundtvkamera.de

Weitere Informationen: cinematographinnen.net

Historischer Blickwinkel - Frauen holen auf

Frauen in der Kunst gibt es so lange wie die Kunst selbst. Von der Antike bis in die Gegenwart schufen Künstlerinnen bedeutende Werke. Allerdings wurden weibliche Kulturschaffende in den patriarchalen Gesellschaften öffentlich ignoriert. Kreativität und Genie sprach man(n) Frauen schlicht ab. Weibliche Wesen kamen in der Kunst nur als Musen, Schönheiten, Verführerinnen oder Mütter vor. Sie dienten dem Künstlergenie als Objekt oder kümmerten sich ganz weltverbunden um sein leibliches Wohl, den Haushalt und die Kinder. Als tätige Künstlerinnen waren sie häufig Töchter, Lebensgefährtinnen oder Ehepartnerinnen von Künstlern und unterstützten diese anonym bei deren Schaffen. Erst seit ca. 100 Jahren dürfen Frauen an europäischen Kunstakademien studieren. Teresa Feodorowna Ries etwa bewirkte 1896 schlagartig einen Skandal mit der Skulptur "Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht". Sie brach mit der Arbeit gleich zwei Tabus, indem sie sich dem Bild der fügsamen Frau widersetzte und die weibliche Kraft zum plastischen Denken zeigte. Damit schockierte sie die männlich dominierte Bildhauerwelt. Bis heute sind Frauen als Kulturschaffende in Ausstellungen oft unterrepräsentiert. So waren etwa 2012 nur 4 % der im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellten Kunstwerke von Frauen. Dennoch holen Frauen auf. Sie schließen sich zusammen, beobachten den Kunstmarkt kritisch, fordern erfolgreich Geschlechtergerechtigkeit und mehr Anerkennung als Kunstschaffende und Profis im Kunstbetrieb.

Quellen:

Beruf: Bildhauerin

Lange galt die Bildhauerei aufgrund ihrer körperlichen und technischen Herausforderungen als Männerberuf. Weitverbreitete geschlechtsideologische Kunstkritik, nach der es Frauen an "körperlicher Kraftentfaltung" und an einer "Idee des Dynamischen" fehle, wurde von weiblichen Künstlerinnen stets eindrucksvoll widerlegt. Schon immer gab es Bildhauerinnen, je mehr sich die Gesellschaft öffnete, desto sichtbarer wurde ihre Kunst. Heute sind im Bereich der Bildhauerei mindestens so viele Frauen wie Männer aktiv. Neben der Möglichkeit einer dualen Berufsausbildung (Holzbildhauerei, Steinbildhauerei usw.) werden in Deutschland elf Studiengänge als ein Schwerpunkt der Bildenden Kunst angeboten. Der Frauenanteil unterscheidet sich nach Berufszweig, so wurden im Jahr 2018 alle Ausbildungsplätze in der Holzbildhauerei (insgesamt sechs) ausschließlich weiblich besetzt, dagegen wurden in der Fachrichtung Steinbildhauerarbeiten lediglich 18 % weibliche Auszubildende gemeldet. Laut den Ergebnissen des Spartenberichts Bildende Kunst, 2021 des Statistischen Bundesamtes, waren im WS 2019/2020 58 % der Studierenden der Bildhauerei weiblich. Bildhauerinnen, die in der Künstlersozialkasse versichert sind, verdienen im Durchschnitt 33 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Informelle Netzwerke, historisch gewachsene Strukturen der Geschlechterverhältnisse und damit zusammenhängend die Ungleichbewertung von Frauen- und Männerleistung machen es Frauen schwer, gleichberechtigt Fuß zu fassen. Doch davon lassen sich die Künstlerinnen nicht beirren. Sie sind offener, experimentierfreudiger, verwenden neue Materialien und finden frische Formen.

Quellen:

Beruf: Dirigentin

Joana Mallwitz, Kristiina Poska, Marin Alsop, Simone Young: Namen einiger berühmter zeitgenössischer Dirigentinnen. Frauen in einer besonderen Männerbastion. 1982 kam die erste Musikerin, die Geigerin Madeleine Carruzzo, nach 100 Jahren ohne Frauen zu den Berliner Philharmonikern. Trotz punktueller erbitterter Widerstände auch noch in den Folgejahren sind Frauen in klassischen Orchestern längst keine Exotinnen mehr. Der Einbruch in das Berufsfeld der Dirigentin war ungleich schwerer. Die offensichtliche Führungsposition in Orchestern, die häufig männlich geprägt ist, wurde Frauen lange kaum zugetraut und zugestanden. Der Weg der 1902 in Rotterdam geborenen Antonia Louisa Brico, die 1930 ihr Debüt bei den Berliner Philharmonikern gab, wurde 2020 zu dem eindrucksvollen Film ”Die Dirigentin“ verarbeitet. 2021 sind noch immer nur 8 % der Führungspositionen bei Generalmusikdirektionen und Intendanzen durch Frauen besetzt. Frauen werden eher als Gastdirigentinnen eingeladen als zur Chefdirigentin berufen. Simone Young, 1961 in Sydney geborene Dirigentin und Professorin, bringt es auf den Punkt: "Ich glaube, wir machen grundsätzlich einen Fehler, indem wir Männlichkeit mit Stärke verbinden und Weiblichkeit mit Sensibilität. Jeder Künstler braucht Stärke und Sensibilität, egal ob es Mann oder Frau ist."

Quellen:

Theater: Auf und hinter der Bühne

Theateraufführungen erfordern Teamarbeit. Kunstschaffende, technisches Personal und Handwerkerinnen und Handwerker stimmen ihr Handeln präzise aufeinander ab. Dabei beträgt der Frauenanteil unter den Beschäftigten in Theatern aktuell fast 50 %. Frauen verteilen sich aber sehr unterschiedlich auf Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen. In zuarbeitenden künstlerischen Berufen wie Dramaturgie oder Regieassistenz liegt der Frauenanteil bei ca. 50 %, beim Soufflieren sogar bei 80 %. In leitenden Positionen wie Intendanz, Regie oder Autorenschaft sind Frauen dagegen mit unter 30 % unterrepräsentiert. Theaterarbeit und Familienpflichten sind wegen unregelmäßiger und überlanger Arbeitszeiten kaum vereinbar. Karriere und Kinder wie bei Dagmar Schlingmann sind deswegen selten. Sie ist seit 2018 Intendantin und sagt, Workaholic müsse sie nicht sein, um gute Arbeit zu leisten. Ein Netzwerk sei für die Vereinbarkeit von Theaterleitung und Familie wichtiger. Geschlechterungerechtigkeit herrscht auch beim Einkommen. Frauen verdienen am Theater bei gleicher Qualifikation deutlich weniger als Männer. Der Gender Pay Gap beträgt z.B. im Regiefach 36 %. Typische Frauenberufe wie Kostümbildnerin werden überdies schlechter bezahlt als vergleichbare meist von Männern ausgeübte Berufe wie Bühnenbildner. Nicht zuletzt die #MeToo-Debatte führte dazu, dass der Ruf nach einem Bewusstseinswandel in der Branche immer lauter wurde, um dieses patriarchale System zu reformieren und geschlechtergerechter zu gestalten.

Quellen:

GEDOK

Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V. - Zur Website der GEDOK.

Sophie Drinker Institut

Das Sophie Drinker Institut ist ein freies Forschungsinstitut, das auf musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung spezialisiert ist. www.sophie-drinker-institut.de.