Für besseren Zugang und weniger Stigmatisierung: Juristinnenbund drängt auf Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert die Bundesregierung auf, das historische Zeitfenster zu nutzen, um den Schwangerschaftsabbruch neu zu regeln. Die aktuelle Rechtslage schafft erhebliche Barrieren und stigmatisiert schwangere Personen sowie das medizinische und beratende Personal. Der djb spricht sich daher für eine Neuregelung aus, die sich am Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Person orientiert und Lebensschutz ohne Kriminalisierung umsetzt. In seinem Policy Paper hatte der djb bereits ein umfangreiches Regelungsmodell vorgeschlagen, an dem er auch in der aktuellen Stellungnahme festhält.
Die von der Bundesregierung eingesetzte unabhängige Kommission zu reproduktiven Rechten und Fortpflanzungsmedizin ist zu einem klaren Ergebnis gekommen: eine Neuregelung ist verfassungsrechtlich nicht nur möglich, sondern notwendig. Besonders in den ersten 12 Schwangerschaftswochen besteht eine Verpflichtung, den Abbruch straffrei zu stellen. Auch nach dieser Frist besteht ein gesetzgeberischer Spielraum, um Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln. Repräsentative Umfragen und verschiedene Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft zeigen eine klare Unterstützung für die Entkriminalisierung. Auch politische Akteure, darunter zehn Landesminister*innen, haben sich für eine Reform ausgesprochen.
„Die Bundesregierung muss die Ergebnisse des Kommissionsberichts ernst nehmen und jetzt handeln, nämlich reproduktive Rechte stärken und die gesundheitliche Versorgung der Betroffenen sicherstellen. Hierzu ist es unerlässlich, Schwangerschaftsabbrüche sind aus dem Strafrecht herauszunehmen“, fordert Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb.
Neben der Entkriminalisierung fordert der djb zusätzlich Maßnahmen wie die Aufnahme des Schwangerschaftsabbruchs in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen und die Integration in die medizinische Ausbildung. Dies ist entscheidend, um die Versorgungssituation nachhaltig zu verbessern und den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Der djb warnt, dass die derzeitige Rechtslage eine gerechte und sichere Versorgung gefährdet.
„Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist überfällig. Die Bundesregierung muss jetzt handeln und eine Neuregelung auf den Weg bringen, die den Anforderungen an reproduktive Gerechtigkeit und dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen entspricht“, betont Céline Feldmann, Vorsitzende der interkommissionellen Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch.
Zur aktuellen Stellungnahme auf der Website des djb.
Quelle: Pressemitteilung des djb vom 3.9.2024
Deutscher Frauenrat für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Der Deutsche Frauenrat (DF) hat sich für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ausgesprochen, um die Versorgung von ungewollt Schwangeren sicherzustellen und zu verbessern. Laut Mitgliederbeschluss soll ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Schwangeren mit einer Fristenlösung außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt und damit betroffene Schwangere und Ärzt:innen entkriminalisiert werden. Das beschloss die Mitgliedersammlung des Dachverbands von rund 60 gleichstellungspolitischen Organisationen, die vom 22. – 23. Juni in Berlin tagte. Ein abweichendes Votum formulierten die Arbeitsgemeinschaft katholische Frauenverbände und -gruppen und die Frauen Union der CDU Deutschlands.
„Der Beschluss zu Paragraf 218 ist historisch. Der DF ist Dachverband von rund 60 gleichstellungspolitischen Organisationen und damit die starke Stimme für Frauen. Er bildet die ganze Breite des frauenpolitischen zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland ab. Respektvolle Diskussionen und wertschätzender Umgang haben den Weg zu diesem Konsens geebnet. Das ist ein gutes Beispiel für gelebte Demokratie – jetzt ist die Bundespolitik gefragt, eine Neuregelung anzustoßen,“ sagt Dr. Beate von Miquel, die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.
Die Mitgliederversammlung stand unter dem Eindruck der besorgniserregenden Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien bei den zurückliegenden EU-Wahlen, die mit antifeministischen Parolen punkten konnten. Dr. Beate von Miquel schwor die Delegierten darauf ein, in rauem Klima stark für Frauenrechte zusammenzustehen und in ihrem Engagement nicht nachzulassen. Von den demokratischen Parteien forderte sie entschlossenes Handeln, um frauenpolitische Errungenschaften zu schützen, statt den Rechtspopulist:innen nachzueifern.
In ihrem Grußwort erklärte Dr. Petra Follmar-Otto, die im Bundesfrauenministerium die Abteilung Gleichstellung leitet, dass das BMFSFJ in der nächsten Förderperiode einen Fokus auf die Bekämpfung von Sexismus und Antifeminismus legen wolle und lobte den DF als wichtigen Kooperationspartner und Ratgeber des Ministeriums in Sachen Gleichstellung.
Auch die designierte Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats, Judith Rahner, hob in ihrer Vorstellungsrede vor den Delegierten die Perspektivenvielfalt innerhalb des DF hervor, die ihm gerade in Zeiten sinkenden Vertrauens in Institutionen wertvolle Glaubwürdigkeit verschaffe. Rahner, die von der Amadeu Antonio Stiftung zum 1. August in die DF-Geschäftsstelle wechselt, zeigte sich entschlossen, in neuer Funktion Antifeminismus unerschrocken die Stirn zu bieten.
Um für die kommenden Landtags- und der Bundestagswahl im Herbst 2025 gewappnet zu sein, bestimmten die Delegierten das Thema „Demokratie verteidigen. Antifeminismus konsequent entgegentreten. Demokratische Wahlentscheidungen unterstützen“ für die nächsten zwei Jahre als Arbeitsschwerpunkt. Celeste Eden (Deutscher Frauenring) wird dies künftig im Vorstand verantworten.
Zum zweiten Schwerpunktthema wählten die DF-Mitglieder „Geschlecht bei Gesundheit und Krankheit berücksichtigen: Für eine geschlechter- und diversitätssensible sowie barrierefreie Gesundheitsvorsorge und -versorgung“, das Dr. Regine Rapp-Engels (Arbeitskreis Frauengesundheit) im Vorstand vertreten wird. Zu beiden Themen werden Fachausschüsse einberufen, in denen Vertreterinnen aus den Mitgliedsverbänden mitwirken.
Angesichts des angespannten gesellschaftlichen Klimas aktualisierte die Mitgliederversammlung die Beschlusslage des DF: Zehn aus der Arbeit des Fachausschusses „Gewalt gegen Frauen bekämpfen“ hervorgegangenen Sachanträge stärken künftig die Sprechfähigkeit des Verbands in diesem Themenfeld. Auch die Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse bringt den DF künftig in Sachen Finanz-, Wirtschafts- und Investitionspolitik nach vorne. Eine Reihe Beschlüsse stärkt das sozialpolitische Profil des DF mit Blick auf die Wohnungspolitik.
Turnusgemäß wurden die beiden Vorstandsposten der Verantwortlichen für Strukturen der nationalen Gleichstellungspolitik und die Verantwortliche für europäische und internationale Gleichstellungspolitik neu besetzt. Elke Ferner (SPD Frauen) wurde in ihrem Amt als Verantwortliche für Strukturen der nationalen Gleichstellungspolitik für zwei weitere Jahre wiedergewählt. Susanne Maier (BPW Germany), die zuvor zwei Jahre das beendete Schwerpunktthema Armut verantwortet hatte, übernimmt künftig den Posten für europäische und internationale Gleichstellungspolitik im Vorstand, den vorher Annika Wünsche (CDA) verantwortet hatte. Yvonne de Andrés (Bücherfrauen), die Verantwortliche für das Schwerpunktthema Vielfalt, schied nach Ablauf ihres Mandats aus dem Vorstand aus.
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Frauenrates vom 23.6.24, www.frauenrat.de
Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf gegen Gehsteigbelästigungen
Die Bundesregierung hat am 24. Januar 2024 den von Bundesfrauenministerin Lisa Paus vorgelegten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beschlossen. Mit dem Vorhaben verfolgt die Bundesregierung das Ziel, Schwangere vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wirksamer vor unzulässigen Belästigungen durch Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegner zu schützen.
Verschiedene Formen der Belästigungen von Schwangeren vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, werden verboten. Hierzu wird begleitend ein Bußgeldtatbestand eingeführt, nach dem die Belästigungen geahndet werden können. Neben dem Schutz der Schwangeren soll auch das Personal von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen vor Beeinträchtigungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit geschützt werden.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Frauen ungehindert eine Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch nehmen können und ungehindert Zugang zu Einrichtungen erhalten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Mit dem Gesetzesentwurf wird dem Wunsch der Länder nach einer bundeseinheitlichen Regelung im Umgang mit der so genannten Gehsteigbelästigung entsprochen. Die Länder sollen einen einheitlichen und rechtssicheren Rahmen erhalten, um angemessen auf Belästigungen reagieren zu können.
Quelle: BMFSFJ vom 24.1.2024, www.bmfsfj.de
djb fordert Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) setzt sich in seinem Policy Paper für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches (StGB) ein, das sich am reproduktiven Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität schwangerer Personen orientiert.
Der djb kritisiert die defizitäre Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen in Deutschland und veranschaulicht, wie restriktiv das deutsche Recht im europäischen Vergleich ausfällt. Anlass für das Policy Paper ist die derzeitige internationale Diskussion um die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die durch das Urteil des US-Amerikanischen Supreme Courts Dobbs v. Jackson Women's Health Organization ausgelöst wurde. Auf nationaler Ebene zeigt sich zudem der Wille der Bundesregierung über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs mit Blick auf eine Stärkung reproduktiver Rechte nachzudenken, wie der Ampel-Koalitionsvertrag zeigt. So ist die Einrichtung einer Kommission geplant, die sich mit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches befassen soll.
Derzeit stellt das deutsche Recht den Schwangerschaftsabbruch in § 218 StGB grundsätzlich unter Strafe, bleibt jedoch unter bestimmten Bedingungen straffrei. Eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs mit Mitteln des Strafrechts stößt aus heutiger Perspektive auf erhebliche Bedenken. Der djb setzt sich für eine Regelung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein und plädiert dafür, die §§ 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Stattdessen sieht er eine Fristenlösung im Schwangerschaftsabbruch (SchkG) vor, nach der selbstbestimme Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus erlaubt sein sollten. Der djb schlägt für Schwangerschaftsabbrüche, die gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person vorgenommen werden, einen eigenen Tatbestand im StGB vor (etwa in § 226b StGB). Außerdem macht sich der djb für die Verbesserung der Versorgungslage ungewollt schwangerer Personen stark, darunter die Verankerung eines Rechts auf Beratung statt der momentanen Beratungspflicht und die Übernahme der Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Schwangerschaftsabbruch sollte zum verpflichtenden Programm der medizinischen Ausbildung im Studium sowie der Weiterbildung für die gynäkologische Facharztausbildung werden.
Eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ist für den djb auch unter Berücksichtigung der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angezeigt. Die strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gegen oder ohne den Willen der schwangeren Person ist dagegen weiterhin geboten.
Quelle: Pressemitteilung djb vom 08.12.2022. Mehr zum Policy Paper 22-26 auf der Website des djb.
Safe Abortion Day
Der Safe Abortion Day findet jährlich am 28. September statt.