Im Forderungskatalog zum Bürokratieabbau („Einfacher, schneller, günstiger - staatliche Handlungsfähigkeit sichern. Kommunale Impulse zur Umsetzung des angekündigten Bürokratieabbaus, NLT Heft 3/2025) argumentieren die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen einmal mehr mit vermeintlichen Bürokratielasten gegen die Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz (NGG):
„Insofern fordern wir […] keine neuen Bürokratielasten im Nds. Gleichberechtigungsgesetz oder bei der Schaffung der Nds. Katzenverordnung.“
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen (LAG Gleichstellung) zeigt sich entsetzt über die Selbstverständlichkeit des NLT, den Schutz und die Stärkung von Frauenrechten in einem Atemzug mit Katzenschutz gleichzusetzen. Angesichts dieser Herabsetzung drängt sich die Frage auf, woher der enorme Gegenwind des NLT zur längst überfälligen und notwendigen Novellierung eigentlich kommt? Immerhin ist die Überarbeitung und Anpassung von Gesetzestexten an neue gesellschaftliche Realitäten eine gängige parlamentarische Praxis und notwendiger Teil einer funktionierenden Demokratie.
Geht es hier wirklich um Bürokratieabbau oder die Angst, zukünftig Macht und Verantwortung mit Frauen fair zu teilen?
Die Behauptung, die Stärkung und der Schutz von Frauenrechten müsse hinter dem Abbau von Bürokratie zurückstehen, ist unhaltbar und zeigt einmal mehr die strukturelle Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft sowie den wachsenden Antifeminismus. Was der NLT für bürokratischen Aufwand hält, stellt in Wahrheit eine Grundlage dar, in Zukunft Kosten in Milliardenhöhe einzusparen. Anhand der folgenden drei Beispiele lässt sich das leicht belegen:
Gewalt gegen Frauen
Die gesellschaftlichen Folgekosten von häuslicher und sexualisierter Gewalt gegen Frauen belaufen sich für Deutschland demnach auf circa 54 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist die unglaubliche Summe von 148 Millionen Euro pro Tag.
Finanzielle Abhängigkeit vom Täter führt dazu, dass Frauen (und ihre Kinder) in Gewaltbeziehungen bleiben. Ein großes finanzielles Gefälle sowie unfaire Aufteilung der unbezahlten Carearbeit in Partnerschaften (bedingt durch vermeintliche Vorteile wie z.B. Ehegattensplitting) können immer auch zu verzerrten Machtverhältnissen führen. Je unabhängiger Frauen finanziell sind, desto weniger beanspruchen sie die Haushalte von Kommunen und Ländern.
Altersarmut
Im Jahr 2022 hat der Staat rund 17 Milliarden Euro ausgegeben, um Rentner:innen gezielt gegen Altersarmut zu unterstützen. Vor allem Frauen landen auf Grund von Teilzeit und langen Erziehungszeiten in der Altersarmut. Der aktuelle Entwurf des NGG soll Frauen dabei unterstützen, diesen sogenannten „Mommytracks“ zu entgehen und nicht nur ein auskömmliches Einkommen, sondern auch eine existenzsichernde Rente zu erhalten.
Fachkräftemangel
Dem Staat fehlen nach aktueller Einschätzung des dbb beamtenbund und tarifunion über 570.000 Mitarbeiter:innen. Ein Grund dafür: Eltern - vor allem Müttern - fehlt es an adäquaten Kinderbetreuungsplätzen. Das führt zu längeren Ausfallzeiten und geringeren Teilzeitarbeitszeiten. Diese Stunden fehlen den Verwaltungen. Deswegen braucht es klare und faire Regelungen, um Frauen, die auf Grund ihres Geschlechts strukturell benachteiligt sind, die gleichen Chancen im Berufsleben zu ermöglichen. Die Kosten und die Bürokratie, die die unbesetzten Stellen schon heute verursachen, liegen schnell bei mehreren 10.000 Euro pro unbesetzter Stelle.
Angesichts dieser eindeutigen Fakten fordert die LAG Gleichstellung, dass der NLT seine haltlosen Bedenken aufgibt. Die Landesregierung muss das NGG novellieren und den Schutz und die Stärkung von Frauenrechten fördern. So gelingt eine gleichberechtigte Teilhabe mit dem Bonus, dass kommunale Haushalte sogar finanziell entlastet anstatt bürokratisch belastet zu werden.
Quelle: Pressemitteilung der LAG Gleichstellung. Die Mitteilung sowie Quellen zu den angegebenen Statistiken finden Sie auf der Website der LAG Gleichstellung.