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Das Frauenbild in der Werbung im Wandel

„Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“ Weisheiten wie diese erfuhr das andächtig lauschende Fernsehpublikum in den 50er-Jahren aus der Werbung (Danke, Dr. Oetker!). Oder den Frauen wurde nahegelegt, sich ihre schwindende Lebensfreude, mit „Frauengold“ zurückzuholen. Mit diesem Wundertrank (bestehend aus viel Alkohol sowie nierenschädigenden und krebsfördernden Zusätzen) ist sie nicht mehr wütend über das Verhalten ihres Chefs, sondern entschuldigt sich - für was auch immer. Und anstatt ihren Mann wegen seiner Ungeschicklichkeit zu tadeln, mit der er ihr zusätzliche Arbeit im Haushalt macht, wälzt sie sich fröhlich lachend mit ihm durch die Bettlaken. Wer wird denn auch gleich so zickig sein?

Die Botschaft ist klar: Negative Emotionen stehen einer Frau nicht gut zu Gesicht. Der Mann soll sich schließlich wohlfühlen, wenn er von seiner anstrengenden Arbeit nach Hause kommt! Sanft und verständnisvoll, immer gut gelaunt, das Heim und sich selber hübsch haltend, den Nachwuchs hütend und sehnsüchtig auf den Göttergatten wartend, der immer Hunger hat und vor allem das Geld nach Hause bringt: das ist das Frauenbild, das in den 50er-Jahren hochgehalten wurde!

„Kein Wunder also, dass sich der Protest der modernen Frauenbewegung von Beginn an auch gegen Reklametreibende richtete“, schreibt der Spiegel in seinem Artikel „Denn zum Kochen sind sie da“. „Die National Organization of Women, eines der ersten Frauenbündnisse, das sich in den 60ern in den USA aktiv für die Gleichberechtigung der Geschlechter engagierte, schuf sogar eine eigene Task-Force, die sexistischen Darstellungen in Zeitungen und Illustrierten den Kampf ansagte. Die stereotype Darstellung und die Demütigung von Frauen in allen Massenmedien sollte gestoppt werden, erklärten die Aktivistinnen bereits 1967.

Und dafür griffen sie auch zu drastischen Mitteln: Am 18. März 1970 stürmten etwa hundert Anhängerinnen feministischer Verbände die Redaktionsräume des "Ladies Home Journal", eines der bekanntesten New Yorker Frauenmagazine. Sie besetzten das Büro des Chefredakteurs und weigerten sich zu gehen, bevor sie nicht angehört worden waren. Sie verlangten, dass Hochglanzmagazine Frauen nicht mehr nur auf Hausarbeit und Schönheitspflege reduzieren sollten. "Hört auf, Werbung zu bringen, die Frauen erniedrigt, oder Anzeigen von Firmen, die Frauen ausbeuten", forderten die Demonstrantinnen.

Der Wandel vollzog sich zwar quälend langsam, aber stetig. „Die Debatte um die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der öffentlichen Wahrnehmung verstummte irgendwann. Zu Unrecht, wie manche Medienpsychologen meinen. An der Frauenfeindlichkeit der Werbung habe sich nichts geändert, glauben sie und verweisen auf die Statistik des deutschen Werberates, wo Vorwürfe wegen Sexismus nach wie vor ganz oben auf der Liste stehen.“

Diese Meinung teilte offenbar auch das EU-Parlament, das 2008 mit großer Mehrheit für ein Verbot stimmte, in der Werbung Hausfrauen am Herd oder an der Waschmaschine zu zeigen. In Deutschland hat sich unter anderem die feministische Bildungsorganisation PINKSTINKS des Themas angenommen: Schon 2013 protestierte sie vor dem Brandenburger Tor gegen Sexismus in der Werbung. „Das Thema schlug immer mehr Wellen und bekam mediale Aufmerksamkeit, sodass wir 2014 eine Petition einreichten“, schreibt PINKSTINKS auf ihrer Homepage. „2016 beschloss der Bundesvorstand der SPD, die Kontrolle von Werbung auf diskriminierende Darstellungen auf die Agenda zu setzen. ​​Bevor es aber zu einer Änderung der Gesetzeslage kommen könnte, müsse versucht werden, die Werbeindustrie selbst zu einem Umdenken zu bringen.“

Das war der Startschuss für eine zweijährige Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Geburtsstunde der „Werbemelder*in“. Dies war eine Plattform, auf der sexistische Werbung aus der Wirtschaft eingereicht werden kann.

Mittlerweile hat die Werbemelder*in den Betrieb eingestellt. Beschwerden nimmt nun der deutsche Werberat entgegen. „Und entsprechenden Unternehmen kann jede*r von uns natürlich auch weiterhin ganz direkt eine wohlwollende aber bestimmte Mail schreiben und sie auf den Sexismus in ihrer Werbung aufmerksam machen“, hebt PINKSTINKS hervor.

Und dass die Leute mittlerweile hinschauen und auch laut werden - vor allem auf Social Media - zeigt ein aktueller Fall aus 2025. Im Mai postete Erdinger Weißbräu ein Werbevideo auf Instagram. „Es zeigt eine junge Frau, die von ihrem Job beim Erdinger Weißbräu schwärmt. Rund um ihren Kopf halten - eindeutig Männerhände - einen Hammer, eine Bierflasche und einen Zapfhahn, offensichtlich jederzeit bereit, bei einer nicht absolut euphorischen Ansage zuzuschlagen. Eine weitere Hand hält einen Flaschenöffner an die Kehle der Frau“, schildert die Süddeutsche Zeitung.

Was laut dem Unternehmen „satirisch, ironisch“ gemeint gewesen war, wurde von vielen Nutzern kritisiert, die darin eine humoristische Darstellung von Gewalt gegen Frauen sahen. Erdinger Weißbräu nahm das Video aus dem Netz und entschuldigte sich öffentlich.

Doch während die meisten Werbetreibenden bisweilen entweder dem einen oder dem anderen Geschlecht auf die Füße zu treten, gelang Edeka 2019 das „doppelte Tor“: Mit einem Clip zum Muttertag, in dem Männer als unfähige Trottel dargestellt wurden, die im Haushalt und in der Kindererziehung völlig versagen, weil das nun mal Muttis Hoheitsgebiet ist, verscherzten sie es sich mit beiden Seiten. Irgendwie auch schön, wenn sexistische Werbung nicht nur spaltet, sondern auch zusammenbringt!

Quellen und Links

www.sueddeutsche.de/muenchen/erding/erdinger-weissbraeu-werbevideo-gewalt-gegen-frauen-femizid-instagram-chemnitz-safe-space-chemnitz-weissbier-alkohol-feminismus-gewaltschutz-li.3256165

www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien-und-film/sexismus-bei-edeka-der-werbeclip-zum-muttertag-16180968.html

www.spiegel.de/geschichte/sexistische-reklame-denn-zum-kochen-sind-sie-da-a-947541.html

https://pinkstinks.de/was-wir-tun/werbemelderin/ 

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